Zur Ausbreitung des Luchses in Vorarlberg
Das Vorkommen des Luchses stellt eine große Bereicherung für die Artenvielfalt bzw. Biodiversität in unserer Natur dar.
Vor acht Jahren gelang einem Jagdaufseher in der EJ Gamp, Wildregion 4.2- Gamperdonatal mit einem Foto erstmals der Nachweis eines Luchses in Vorarlberg, nachdem die Großkatze seit dem 19. Jahrhundert völlig aus unserem Land verschwunden war. Fünf Jahre später drehte ebenfalls ein Weidmann im Nachbarrevier Vals ein Video von zwei erwachsenen und drei jungen Luchsen, welches in Fachkreisen weit über die Grenzen des Landes für Furore sorgte. Bereits 2016 konnten auch östlich der Ill mit Hilfe von Wildkameras zweimal Luchse nachgewiesen werden. Im Jahr darauf wurde sogar ein toter, vermutlich vom Auto angefahrener Luchs am Dünserberg aufgefunden. Seit einiger Zeit scheint die Ausbreitung und Vermehrung von Pinselohr im Land sukzessive voran zu gehen. Waren die Nachweise zu Beginn der natürlichen Wiederbesiedelung noch auf wenige Einzelereignisse beschränkt, so belegen gegenwärtig alljährlich eine Reihe von Fotos, DNA-Proben, bestätigten Rissen und Fährten sowie direkten Beobachtungen die Zunahme und Ausbreitung der Großkatze in Vorarlberg.
Jäger als unverzichtbare Datenvermittler
Ohne die aktive Mitarbeit der Jäger und Jagdschutzorgane würden wir über das Vorkommen und die räumliche Ausbreitung des Luchses im Lande nicht viel wissen, denn über 90% der bestätigten Nachweise und glaubhaften Hinweise stammen von Grünröcken, die beim Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abteilung Va- Landwirtschaft und ländlicher Raum vom wildökologischen Amtssachverständigen gesammelt und verarbeitet werden. Anhand dieser Daten bzw. Datenreihen und deren geografische Zuordnung kann die Entwicklung des Luchses seit 2012 in Vorarlberg relativ gut verfolgt werden, wenngleich davon auszugehen ist, dass mancher Nachweis dem Land nicht übermittelt wurde und daher in diesen Datensätzen fehlt. Es wird aber auch um Verständnis gebeten, wenn Meldungen über angebliche Beobachtungen, Risse und Fährten, die nicht bestätigt bzw. nicht eindeutig dem Luchs zugeordnet werden können, nicht in diese Datenbank aufgenommen werden.
Rätikon und Hoher Freschen
Wie anhand der kartographischen Darstellung über die Verbreitung des Luchses in Vorarlberg seit 2012 gut zu erkennen ist, stellen das Rätikon sowie das Gebiet um den Hohen Freschen die „Quellgebiete“ von Pinselohr in Vorarlberg dar. Die Populationsgründer stammen, wie mit Hilfe von mehreren Fellmusteranalysen nachgewiesen, aus der Ostschweiz, die ohne menschliches Zutun zu uns zugewandert sind. Dabei mussten die Tiere gefährliche Hindernisse, wie Eisenbahnstrecken, Straßen, Autobahnen mit Wildschutzzäunen, Siedlungen sowie große Flüsse überwinden. Die meisten Nachweise im Land kommen bisher aus dem Gamperdonatal sowie aus dem Mellental. Aus diesen Gebieten stammen auch die ersten Reproduktionsnachweise. Die gegenwärtige räumliche Verbreitung des Luchses sowie die Beobachtung von vermutlichen Jungtieren (1-jährige Luchse) lassen jedoch die Vermutung zu, dass es im Land auch Nachwuchs gegeben hat, der nicht aufgefallen und daher auch nicht dokumentiert wurde. Außerdem sind nicht immer zweifelsfreie Unterscheidungen bzw. Zuordnungen der Tiere möglich. Beispielsweise kann keine konkrete Aussage darüber getroffen werden, ob es sich bei der Beobachtung von einer Luchsin mit drei Jungen durch ein versiertes Jagdschutzorgan voriges Jahr im Frödischtal um dieselbe Luchsfamilie handelte, die einen Monat später von einem Jagdaufseher im benachbarten Mellental fotografiert wurde.
Weitere Ausbreitung des Luchses in Vorarlberg
Obwohl in den vergangenen Jahren auch schon vereinzelte Beobachtungen von Luchsen abseits der zwei erwähnten Hauptverbreitungsgebiete möglich waren, konnten in den vergangenen zwei Jahren des Öfteren Nachweise von Luchsen aus den Gebieten Bödele-Schwarzenberg, Ebnitertal sowie Brandnertal-Bürserberg-Bürs erbracht werden, die auf eine weitere räumliche Ausbreitung, allenfalls sogar Gründung neuer Territorien von Pinselohr schließen lassen. Interessant ist, dass bisher aus den waldreichen Rehrevieren der Wildregion 1.8- Leiblachtal noch keine bestätigten Meldungen über ein Luchsauftreten eingelangt sind. Im Grenzgebiet zu Deutschland wurde heuer überhaupt das erste Mal ein Luchs im Raum Balderschwang mit Hilfe einer Fotofalle von Mitarbeitern des Naturparks Nagelfluhkette nachgewiesen. D.h., die räumliche Ausbreitung des Luchses ins Leiblachtal sowie in die Grenzregion Bregenzerwald/Allgäu und Kleinwalsertal dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit über die Gründerpopulation aus dem Raum Hoher Freschen erfolgen. Nachdem sich aus dem Gebiet Bödele-Schwarzenberg die Luchsnachweise seit dem vergangenen Jahr häufen und sich mittlerweile auch aus dem Gebiet Schetteregg die Hinweise mehren, könnte die Ausbreitung von Pinselohr in nordöstlicher Richtung bereits gegenwärtig im Gange sein.
Großes Walsertal
Im Großen Walsertal konnte mit Ausnahme von zwei Beobachtungen (1 Foto, 1 Direktbeobachtung) aus dem Ladritschtal im Jahre 2018 heuer zum ersten Mal ein Luchs in Buchboden per Fotofalle nachgewiesen werden.
Klostertal
Während aus dem Raum Hochtannberg-Lech-Klostertal bisher noch keine Meldungen eingelangt sind, wurde heuer ein Luchsfoto von einer Wildkamera aus dem Grenzgebiet Klostertal/Silbertal übermittelt, womit auch die Berichte von Jägern über Luchsbeobachtungen aus dem Raum Itonskopf ihre Bestätigung finden.
Hochjoch – Montafon
Im Hochjochgebiet wurde nach 2016 und 2018 auch heuer wieder ein Luchs beobachtet. Dabei konnte der zuständige Jagdaufseher und Hegeobmann Hannes Meyer bei besten Lichtverhältnissen die Begegnung eines Luchses mit einem 15-köpfigen Steinbockrudel und die dabei erfolgten Reaktionen bzw. Verhaltensweisen sowohl bei den Böcken als auch bei der Katze bestaunen. Nach zwei erfolglosen und wenig gefährlichen Angriffsaktionen des Luchses habe sich dieser nur wenige Meter vor den Steinböcken ins Lager begeben und diese gleich einem Hirtenhund, der seine Herde beschützt, lange beäugt. Im Juni und Juli sind Fotonachweise aus dem Gargellental, dem hinteren Silbertal und bereits zum wiederholten Male aus dem Gampadelstal übermittelt worden, die die sukzessive Ausbreitung von Lynx im Montafon bestätigen.
Wie bereits erwähnt, beruhen die Kenntnisse über die Anwesenheit und Verbreitung des Luchses in Vorarlberg überwiegend auf Mitteilung bzw. von Jägern und Jagdschutzorganen erbrachten Nachweisen. Aus manchen Gebieten scheint die Meldemoral aber etwas nachzulassen, weil der Luchs nichts mehr „Neues“ ist und daher als nicht mehr besonders berichtenswert erscheint. In wenigen Gebieten hat man aber auch das Gefühl, dass man die Beobachtungen oder Nachweise bewusst verschweigt, um nicht näher in eine amtliche Beobachtung zu geraten. Hierzu ist festzuhalten, dass die Behörde ohne Absprache mit den zuständigen Jagdverantwortlichen keine Monitorings vornimmt und dass von amtlicher Seite allfällige, auf die Präsenz des Luchses zurückführende Erschwernisse in der Jagdausübung und insbesondere in der Abschusserfüllung nur dann entsprechend berücksichtigt werden können, wenn tatsächlich Nachweise über das Luchsvorkommen aus den betroffenen Gebieten vorliegen.
Ausblick
Wenngleich die Anwesenheit von Lynx lynx unbestritten zu einer markanten Veränderung und jagdwirtschaftlichen Verschlechterung v.a. beim Reh und teilweise auch beim Gams in einem Revier beitragen kann, so stellt sein Vorkommen doch eine unwahrscheinliche Bereicherung für die Artenvielfalt bzw. Biodiversität in unserer Natur dar. Wie jedoch schon des Öfteren betont und im Zuge der schriftlichen Abschussplanverhandlungen 2020 klar eingefordert, ist für die Akzeptanz und den langfristigen Erhalt dieser Großraubwildart eine Berücksichtigung bzw. Einkalkulierung dieses natürlichen und sehr wirksamen Schalenwildjägers bei der Festlegung der Abschussplanzahlen sowie bei Beurteilung der Abschussplanerfüllung dringend notwendig. In Vorarlberg scheint diese Thematik zumindest in Ansätzen angekommen zu sein, denn im Zuge der heurigen Abschussplanverhandlungen waren die Jagdsachbearbeiter der einzelnen Bezirkshauptmannschaften trotz teils „massiven Gegenwind“ durchaus bemüht, bei der Festsetzung der Rehwild-Mindestabschusshöhen für Reviere mit starker Luchspräsenz den fachlichen Argumenten über die Auswirkungen des Luchses auf Reh und Gams ein entsprechendes Gehör zu schenken. Dieses wird es in Zukunft vermutlich noch mehr geben müssen, denn die Großkatze scheint sich im Land immer mehr zu etablieren und es darf nicht passieren, dass der Luchs aus Ignoranz zum unliebsamen Beutekonkurrenten der Jagd stilisiert und damit seine Existenzberechtigung in Frage gestellt wird.
DI Hubert Schatz
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