Weitreichende Reform des europäischen Asyl- und Migrationssystems
Lange hat es gedauert: seit über acht Jahren, genau genommen seit der ersten großen Migrationswelle im Jahre 2015, ringen die Mitgliedstaaten um einen Kompromiss in der europäischen Asyl- und Migrationsfrage. Im Mai 2024 haben Rat der Minister/innen und Europäisches Parlament eine umfangreiche Reform des EU-Systems angenommen.
Das bisherigen EU-Asylsystem und seine Reform
Nachdem sich im Dezember 2023 die Europäische Kommission, der Rat der EU und die Mehrheit des Europäischen Parlaments im Prinzip auf eine umfassende Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geeinigt hatten, wurde diese Reform des Systems am 14. Mai 2024 endgültig beschlossen. Das GEAS definiert Mindeststandards für den Ablauf von Asylverfahren und den Umgang mit Asylsuchenden. Über ihre Verteilung gab es in der EU immer wieder Konflikte, zwischen 2007 und 2018 haben ein Drittel der Mitgliedstaaten 90% der Asylwerbenden aufgenommen.
Kernpunkte der Reform des EU-Asylsystems
Wie bisher ist für die Asylverfahren das Land zuständig ist, in das eine schutzsuchende Person als erstes eingereist ist. Allerdings wird dieses „Dublin“-System weiterentwickelt. Die Frist für die Überstellung in den zuständigen „Dublin“-Staat wird verlängert, wenn Asylwerbende untertauchen. Die Reform soll auch den Außengrenzenschutz verbessern. So werden einheitlicher Standards für Registrierung und Verfahren etabliert, z. T. können Asylverfahren direkt an den EU-Außengrenzen abgewickelt werden. Zudem sollen die Asylwerbenden nach einem verbindlichen Solidaritätsmechanismus zwischen den Mitgliedstaaten verteilt werden.
Das GEAS besteht aus 10 Rechtsakten
Rechtsakt | Regelungsinhalte |
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Die Verordnung löst die bisherige Asylverfahrens-Richtlinie ab und führt ein EU-weit einheitliches Verfahren für die Gewährung und Aberkennung von internationalem Schutz ein. Die Bearbeitung von Asylanträgen soll schneller und mit kürzeren Fristen für offensichtlich unbegründete bzw. unzulässige Anträge und für bestimmte Personengruppen (die eine Sicherheitsgefahr darstellen oder mit einer Nationalität, deren Asylanerkennungsquote unter 20% liegt) an den EU-Außengrenzen erfolgen. |
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Rückkehrgrenz-verfahrens-Verordnung |
Die Verordnung ergänzt die Asylverfahrens-Verordnung und regelt die Rückführung von Personen, deren Asylantrag an der EU-Außengrenze abgelehnt wurde. |
Die Verordnung ersetzt die aktuelle „Dublin“-Verordnung, die die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten regelt. Es wird ein dauerhafter verpflichtender Solidaritätsmechanismen für Mitgliedstaaten, die von Migrationsdruck besonders betroffen sind, eingerichtet. Andere Mitgliedstaaten können wählen, ob sie Asylwerbende aufnehmen oder finanzielle Beiträge leisten. Auch die Zuständigkeit für die Behandlung von Asylanträgen (das „Dublin"-System) wird weiterentwickelt, der „Dublin"-Staat bleib länger zuständig. |
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Irregulär ankommende Personen werden einem Screening-Verfahren unterzogen, das die Identifizierung, die Erfassung biometrischer Daten sowie Gesundheits- und Sicherheitskontrollen umfasst und nur wenig Tage dauern darf. Ziel ist es zu kontrollieren, wer das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten betritt. Die besonderen Bedürfnisse von Kindern sollen berücksichtigt werden. Jeder Mitgliedstaat soll über einen unabhängigen Überwachungsmechanismus verfügen, um die Einhaltung der Grundrechte sicherzustellen. |
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EURODAC enthält die Fingerabdrücke der irregulär eingereisten Migranten/innen bzw. Ayslwerbenden. Neu erfasst werden ein Foto, Namen und das Alter einer Person, und zwar bereits ab 6 ( stattt bisher 14) Jahren. Ebenfalls neu abzuspeichern sind Daten zu Personen mit irregulärem Aufenthalt. Wanderungsbewegungen innerhalb der EU sollen dadurch besser nachvollzogen und die irreguläre Sekundärmigration verhindert werden. |
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Die Verordnung schafft erstmals einen Rechtsrahmen, um auf Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt reagieren zu können. Krise umfasst sowohl die außergewöhnliche Situation von Massenankünften wie auch die Instrumentalisierung von Migranten zur Destabilisierung der EU. In diesem Fall kann von bestimmten Vorschriften des „normalen“ Asylverfahren vorübergehend abgewichen werden. Auch wird ein Mechanismus zur Gewährleistung von Solidarität und Maßnahmen zur Unterstützung von betroffenen Mitgliedstaaten festgelegt. |
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Aufnahme-Richtlinie |
Die Richtlinie enthält Regelungen für die Aufnahme von Asylwerbenden, u.a. zum Zugang zum Schulsystem, zu Sprachkursen, zum Arbeitsmarkt, zur Gesundheitsversorgung, aber auch Regelungen bzw. Voraussetzungen für Haft. Ziel ist die Harmonisierung und die Gewährleistung menschenwürdiger Aufnahmebedingungen in den Mitgliedstaaten. |
Die Verordnung ersetzt die aktuelle Anerkennungs-Richtlinie und stellt sicher, dass die Mitgliedstaaten einheitliche Kriterien zur Anerkennung des Anspruchs auf internationalen Schutz anwenden. Auch werden die Rechte und Pflichten der Asylwerbenden geregelt. Hierdurch sollen u.a. die Anerkennungsquoten und die Entscheidungspraxis innerhalb der EU vereinheitlicht und Sekundärmigration verhindert werden. |
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Neuansiedelungs-Verordnung |
Unter Neuansiedlung („Resettlement“) versteht man einen Prozess, bei dem Drittstaatsangehörige, die internationalen Schutz benötigen, von einem Drittstaat in einen Mitgliedstaat der EU überstellt werden, wo sie als Flüchtlinge bleiben dürfen. Alle zwei Jahre soll auf EU-Ebene ein Plan mit maximaler Gesamtzahl der aufzunehmenden Personen, Details zur Beteiligung der Mitgliedstaaten etc. erstellt werden. Ziel ist, sichere und legale Migrationswege in die EU für gefährdete Personen zu schafen. |
EU-Asyl-Agentur-Verordnung |
Mit der bereits 2022 in Kraft getretenen Verordnung wurde das ehemalige Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) in eine EU-Asylagentur (EUAA) umgewandelt. EUAA überwacht die operative und technische Anwendung des GEAS, um dessen einheitliche Umsetzung zu gewährleisten. |
Wie ist der Kompromiss aus österreichischer Sicht zu bewerten?
Österreich begrüßt die Reform. Für Österreich ist wichtig, dass die Eindämmung von irregulärer Migration und Verhinderung von Sekundärmigration von allen Mitgliedstaaten umgesetzt wird. Verpflichtende Grenzverfahren und ein flexibler Solidaritätsmechanismus mit voller Anrechnung der Vorbelastungen (die für Österreich in der Vergangenheit überdurchschnittlich groß waren) sind für das zukünftige Funktionieren des Pakets besonders bedeutsam. Ebenso wichtig ist, dass die Verfahren effizient geführt werden können, aber immer in strikter Konformität mit den Menschenrechten und dem Völkerrecht. Hierzu gehört z.B. das „Konzept des sicheren Drittstaats“.
Wie geht es weiter?
Die EU-Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit für die Umsetzung, d.h. bis Mitte 2026. In dieser Phase müssen sowohl nationale Gesetze angepasst als auch die entsprechenden Ressourcen bereitgestellt werden. Die Europäische Kommission hat dazu einen Gemeinsamen Durchführungsplan für das Migrations- und Asylpaket erlassen, der die Mitgliedstaaten bei der Vorbereitung der Durchführung des Migrations- und Asylpakets unterstützen soll. Im Gemeinsamen Durchführungsplan werden die zur praktischen Durchführung der 10 GEAS-Rechtsakte erforderlichen Maßnahmen in zehn Bausteinen zusammengefasst.
Weitere Informationen
Informationen des Rates der zur Reform des GEAS finden Sie hier
Informationen des Europäischen Parlaments zur Reform des GEAS finden Sie hier
Informationen der Europäischen Kommission zum Migrations- und Asylpaket finden Sie hier
Informationen über die GEAS Rechtsakte kurz und bündig finden Sie hier