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Archivale des Monats September 2022

Plakat Hilfskation „Pro Vorarlberg“, 1920

„Eidgenossen, helft euren Brüdern in Not!“

Mehrfach abgedruckt wurde ein Plakat des Komitees „Pro Vorarlberg“ in jüngerer Zeit zu einer Ikone der Anschlussbewegung an die Schweiz. In Vorarlberg hing es freilich nie und es wurde offenbar nicht, wie allgemein angegeben, 1919 gedruckt.

Die Nationalversammlung in Wien erklärte Deutschösterreich am 12. November 1918 zum Bestandteil der Deutschen Republik. In Vorarlberg versprach man sich mehr von der Eidgenossenschaft. Am 11. Mai 1919 votierten 80 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für Beitrittsverhandlungen mit Bern. Im Vertrag von Saint-Germain schrieben die Siegermächte im September 1919 die Unabhängigkeit Österreichs als unabänderlich fest – es sei denn, daß der Rat des Völkerbundes einer Abänderung zustimmt. Ein drohender Zusammenbruch Österreichs und eine deutsche Kampagne gegen die Schweiz führten zu einer Mobilisierung jenseits des Rheins. Verschiedene Initiativen schlossen sich am 19. November in Rorschach zum gesamtschweizerischen Komitee „Pro Vorarlberg“ zusammen. 85 Eisenbahnwaggons mit Lebensmitteln und Hilfsgütern rollten bis Mai ins notleidende Vorarlberg; kostenlos oder gegen geringes Entgelt, damit durch Liebesgaben nicht der Arbeitswille geschwächt werde.

Im April 1920 teilten Zeitungen mit, der Arbeitsausschuss habe die Fortführung der Hilfe beschlossen. Den kantonalen Komitees werde ein Werbeplakat Courvoisiers zugestellt werden. Der bedeutende Plakatkünstler Jules Courvoisier (1884 bis 1936) bewirkte mit Sujets Mitgefühl und Hilfsbereitschaft.  Am 26. Oktober 1920 wurde in der „Berner Landeszeitung“ über die bevorstehende Aktion berichtet. Mit einem Film werde geworben und im ganzen Kanton ein vorzügliches Plakat des Schöpfers des Nationalspende-Plakats angeschlagen: Das Bild stellt eine Vorarlberger Mutter mit ihren beiden Kindern dar, wie sie ihre sehnsuchtsvollen Blicke nach der mildtätigen Schweiz richtet, von wo sie Hilfe für sich und die hungernden Kinder erwartet. – Dass die Mutter in Montafonertracht ein jungfräuliches Schäppele und Zöpfe trägt, tut der Wirkung keinen Abbruch.

Ulrich Nachbaur mit Anna Mödlagl

Quelle: VLA, Plakatsammlung Nr. 7 (Jules Courvoisier, Farblithographie, 127 x 90 cm, Affiches Sonor S. A. Genève, 1920).

 

Weitere Quellen:

  • Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye, StGBl 303/1920.
  • Der Bund vom 25.04.1920.
  • Oberländer Tagblatt vom 26.04.1920.
  • Berner Landeszeitung vom 26.10.1920.

Literatur:

  • Daniel Witzig, Die Vorarlberger Frage (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 132). Basel/Stuttgart 1974.
  • Jean-Charles Giroud, Jules Courvoisier (1884–1936). Les affiches / Die Plakate. Genève 1996.
  • Willy Rotzler/Karl Wobmann, Political an Social Posters of Switzerland. A historical cross-section / Politische und soziale Plakate der Schweiz. Ein historischer Querschnitt / Affiches politiques et sociales de la Suisse. Un aperçu historique. Zürich 1985.
  • Ferdinand Hodler und das Schweizer Künstlerplakat 1890–1920. Zürich 1984.
  • Ingrid Böhler, Die schweizerische Wirtschaftshilfe an Vorarlberg 1918–1921. In: Eidgenossen helft euern Brüdern in der Not! Vorarlbergs Beziehungen zu seinen Nachbarstaaten 1918–1922. Feldkirch 1990, S. 41–54.
  • Aram Mattioli, Der ‚neuhelvetische‘ Nationalist Gonzague de Reynold und der Anschluß Vorarlbergs. In: Ebd., S. 7–31.

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