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Archivale des Monats November 2024

Abschrift und Übersetzung, ohne Datum (vermutlich 19. Jahrhundert)

"Doing Gender" anno 1653

Über Christina von Schweden (1626 bis 1689), Tochter des schwedischen Königs Gustav II. Adolf, dem „Retter des Protestantismus“, existieren viele widersprüchliche Legenden. Ihr skandalumwittertes und rastloses Leben brachten ihr einige Beinamen ein, darunter „die ambulante Königin".

Kaum eine andere herrschende Königin inszenierte „weibliche Maskulinität“ so selbstverständlich, imageprägend und exzentrisch wie Christina von Schweden und überschritt dabei die Grenzen der geschlechterübergreifenden höfischen Sozialdisziplinierung. Ihre umfassende Bildung, die scheinbare Widersprüchlichkeit ihres Charakters und ihr exzentrisches Verhalten veranlassten nicht nur den Adel, sondern auch den Beichtvater des spanischen Gesandten Antonio Pimentel (1604 bis 1671), Pater Mannerscheid(t), sich über das Aussehen und das Wesen Christinas zu äußern. Am 10. Oktober 1653 schrieb dieser in einem Brief: […] das Wunder unsers Jahrhunderts und als eine besonders erstaunliche Welterscheinung fürwahr […]. Sie ist klein von Gestalt, hat große Stirn, hat große hell leuchtende Augen, aber überaus lieblich, Adlernase, mittelmäßigen, zierlichen Mund, sie hat nichts Weibisches, außer ihrem Geschlechte. Ihre Stimme ist männlich, ihre Weise zu reden, Gang und Geberde sind ganz so, wie bei Männern gewöhnlich. [...] sie lacht, scherzt ungezwungen, ist aber doch so erhaben furchtbar, dass (andere) wie Kinder vor ihr stehen. […] Welche Urtheilskraft sie habe, zeigt die Weise der Anordnung mit solchem Ansehen und solcher Macht, dass sie allein ohne Beistand alles vollbringt.

1654 legte die freiheitsliebende 28-jährige protestantische Herrscherin die Krone nieder und sorgte mit ihrem Übertritt zum Katholizismus 1655 in Innsbruck für eine der größten Provokationen ihrer Zeit.

| Diana Fabian

Quelle: VLA, Kloster Mehrerau, Akten Nr. 755.

 

Literatur:

  • Verena von der Heyden-Rynsch, Christina von Schweden. Die rätselhafte Monarchin. Weimar 2000, S. 5–32, S. 86–107.

  • Veronica Biermann, Geschlecht als Rolle. Christina von Schweden und die Inszenierung „weiblicher Maskulinität“. In: Frauen Kunst Wissenschaft. Zeitschrift für Geschlechterforschung und visueller Kultur 33 (2002), S. 9–13.

  • Emma Louise Brucklacher, Frauensatiren der Frühen Neuzeit. Tradition, Topoi, Tendenzen. Berlin 2023, S. 110–113.

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