Archivale des Monats Juli 2021

Der Bierkönig

Das Vorarlberger Liedgut weist viele Facetten auf. Das Spektrum ist breit und reicht von ernsten, religiösen bis hin zu sentimentalen, heiteren und auch lustbetonten Liedern. Obwohl ein moralischer Anspruch an die Gesellschaft wiederholt in den Vorschriften der Behörden zum Ausdruck kommt, sind Tanz und Lied fester Bestandteil der offiziellen und inoffiziellen Zusammenkünfte. Ein besonderes Thema im Liederschatz ist die Lebenslust. Zu ihr gehört auch der Genuss geistiger Getränke.

Das Lied kommt ursprünglich aus studentischen Kreisen und soll um 1849 in der k. k. österreichischen Bergakademie in Schemnitz (heute Banská Štiavnica) aufgetaucht sein. 1861 wurde es in das Lahrer Kommersbuch unter dem Titel „Bier, Bier und Wein“ aufgenommen und wurde seither über Studenten-, Jäger-, Turner-, Feuer-wehr- und Alpenvereinsliederbücher im gesamten deutschen Sprachraum verbreitet. Der Dichter ist nicht bekannt, bei der Melodie griff man auf eine bekannte „Volksweise“ zurück, die dem Lied zu Popularität verhalf. In Vorarlberg wird dieses Lied (Titel „Der Bierkönig“, auch „Bierlied“) seit mehr als 150 Jahren vom Bregenzerwald bis in das Rheintal nicht nur in studentischen Kreisen, sondern auch in Wirtshäusern und im privaten Umfeld gesungen. Die bislang älteste bekannte Textaufzeichnung notierte sich der Lingenauer Bauernsohn, spätere Adlerwirt und Feuerwehrkommandant Johann Peter Pfanner am 13. März 1866 in sein persönliches Liederbüchlein.

Die vorliegende Fassung, deren erster Melodieteil unter anderem an „In Muetters Stübele“ erinnert, wurde im Juni 1929 von Schustermeister Leo Beer in Bizau dem Volksliedforscher und -archivar Josef Bitsche vorgesungen. Den vollständigen Text schrieb Bitsche 34 Jahre später von einem Liederblatt aus dem Besitze der sangesfreudigen M. Katharina Meusburger (1873 bis 1956, Sepplars M. Kathrin) aus Bizau ab. Er wendet sich in romantischer Weise an die Trinklust seiner Sänger und bringt einen Toast auf das edle Bier und die Geselligkeit.

Annemarie Bösch-Niederer

Quelle: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung, M 12III Bizau Nr. 180.

Literatur:

• Allgemeines Deutsches Kommersbuch, hg. von Hermann Schauenburg, red. von Friedrich Silcher und Friedrich Erk, 5. Auflage, Lahr 1861, S. 548.