Asset-Herausgeber

Zurück Archivale des Monats August 2022

Archivale des Monats August 2022

Schreiben des Oberamts Bregenz an Regierung und Kammer in Freiburg, 1. April 1776

Das Wunder von Ellhofen

Am 1. April 1776 berichtete das Bregenzer Oberamt den vorgesetzten Behörden in Freiburg, dass sich vor kurzem das Gerücht verbreitet habe, in der Pfarrkirche von Ellhofen im damals noch vorarlbergischen Gericht Simmerberg nordöstlich von Weiler sei nächtens auf einer Grabstatt ein sonderbarer und ungewöhnlich aufsteigender Glanz sowie ein kleines Kind, mit einem Kreützel umgeben, zu sehen.  Deshalb fänden sich seit einigen Tagen jede Nacht bey etlich hundert Personen ein, um diese Seltenheit zu beaugenscheinen. Sie verweilten dort auch bis spät in der Nacht, und zwar mit Erregung eines gröblichen und ungezimenden Getöses gleich einem Jahr Marckte. Einige davon behaupteten, die Erscheinung ebenfalls wahrgenommen zu haben.

Das Oberamt ließ die wundergläubigen Leute fortan jedoch abweisen und die Kirchentüren zur Nachtzeit verschlossen halten. Zudem lud es die 40-jährige ledige Dienstmagd Anna Kennerknechtin aus Hittisau als Urheberin des Gerüchts zu einem Verhör nach Bregenz vor. Diese gab dabei zu Protokoll, die achtjährige Tochter ihres Arbeitgebers Johann Jakob Vogt zu Ellhofen habe vor etwa fünf Wochen beim Abendrosenkranz als Erste auf dem Grabstein der ungefähr vor drei Jahren verstorbenen zwölfjährigen Tochter des ehemaligen Rentmeisters von Vaduz, Josef Benedikt von Böck (Beck), Liechtle gesehen. Anna konnte diese Erscheinung damals und für die folgenden Tage auch selbst bestätigen. Am Josefitag, dem 19. März, habe sie zudem inmitten der Lichter über einem besonders hellen Glanz ein schönes, schneeweiß gekleidtes, etwa ein Schueh großes Kind mit gekreuzten Armen, einem Liechtel in der linken, einem Blümel in der rechten Hand und einem grünen Krönel auf dem Kopf erblickt.

Mit den getroffenen Maßnahmen unterband das Oberamt, das diese Erscheinungen für eine leere Einbildung hielt, den Zulauf der Menschen sowie alle Ausschweifung in der Kirche. Die Behörden in Freiburg zeigten sich letztlich damit einverstanden, den Pöbel nicht durch weitere Untersuchungen auf die unerwünschte Angelegenheit aufmerksam zu machen und das angebliche Wunder einfach zu unterdrücken.

Manfred Tschaikner

Quelle: VLA, Vorarlberger Akten, Nr. 544.

 

Literatur:

  • Gerd Zimmer, Pfarrkirche St. Peter und Paul Ellhofen im Allgäu. Lindenberg 1998.

Kontaktdaten

Vorarlberger Landesarchiv

Postanschrift: Kirchstraße 28, 6900 Bregenz

Standortanschrift: Kirchstraße 28, 6900 Bregenz

T +43 5574 511 45005

F +43 5574 511 45095

landesarchiv@vorarlberg.at

Kundenverkehr:
Montag bis Donnerstag von 9:00 bis 17:00 Uhr.