Asset-Herausgeber

Zurück Archivale des Monats August 2021

Archivale des Monats August 2021

Zweimal täglich Wein für Kleinkinder

Wer es sich leisten konnte, gab in der Frühen Neuzeit Kinder zur Erziehung in ein Kloster. Das tat auch der Montafoner Vorgesetzte Lukas Tschofen (III.) aus Gaschurn (1612 bis 1679), der vermögendste Wirt des Tals. Am 10. April 1669 schloss er mit der Priorin und dem Konvent des Dominikanerinnenklosters St. Peter bei Bludenz für seine am 7. Juni 1663 getaufte – also fünfjährige – Tochter namens Eva einen entsprechenden Vertrag.

Die Nonnen nahmen sie für jährlich 35 Gulden in die Kost. Während der Vater weiterhin nach seinem Wolgefallen für die Bekhlaidung des Töchterlis sorgen sollte, hatten die Klosterfrauen der kleinen Eva fortan ein Bett samt Wäsche zur Verfügung zu stellen, ihre Kleider zu waschen und die Säuberung des Khopfs vorzunehmen. Des Weiteren war sie von ihnen im Teütschen zu unterweisen in Schreiben und Lesen. Auch das Neyen (Nähen) hatte man ihr beizubringen. Zudem sollten die Nonnen das Khindt in rechter Zucht, Erbarkheit in aller gebürenden Gehorsamb aufferziechen.

Darüber hinaus legte der Vertrag gleich zu Beginn auch fest, dass der Kleinen täglich under 2 mahlen ain halb Quertle Wein zu verabreichen war. Die wöchentliche Mindestmenge hatte ein Maß, also etwa 1,25 Liter, zu betragen. Unter gewöhnlichen Umständen erhielt Eva somit zweimal am Tag wohl im Rahmen der Verpflegung ein Gläschen mit etwas weniger als einem Deziliter Wein vorgesetzt.

Das diente nicht der Erziehung zum Alkoholismus, sondern galt als ein Mittel, die Gesundheit des Kindes zu stärken und seine Entwicklung zu fördern. Eine solche Wohltat konnten sich nur besser bemittelte Eltern leisten, wie denn allgemein der Weinkonsum in der Gesellschaft als ein Indikator für Wohlstand galt. Eines darf in diesem Zusammenhang allerdings nicht außer Acht gelassen werden: Der Wein wies in der Frühen Neuzeit für gewöhnlich einen geringeren Alkoholgehalt auf als heute.

Manfred Tschaikner

Quelle: VLA, Stadtarchiv Bludenz, Fasz. 458/1.

Kontaktdaten

Vorarlberger Landesarchiv

Postanschrift: Kirchstraße 28, 6900 Bregenz

Standortanschrift: Kirchstraße 28, 6900 Bregenz

T +43 5574 511 45005

F +43 5574 511 45095

landesarchiv@vorarlberg.at

Kundenverkehr:
Montag bis Donnerstag von 9:00 bis 17:00 Uhr.