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Das Europa der Grundwerte – alles nur schöne Worte?

In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind alle persönlichen, bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Menschen in der Europäischen Union verankert. Aber halten die Mitgliedstaaten diese auch immer ein? Leider nein.

Die Kommission ortet in ihrem ersten EU-weiten Bericht von Ende September 2020 über die Situation der Rechtsstaatlichkeit in einigen Staaten gravierende Mängel bei der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien. Sie sieht die Defizite vor allem in vier Bereichen: im Justizsystem selbst (v.a. bei der Unabhängigkeit der Gerichte), in der Korruptionsbekämpfung, in der mangelnden Medienfreiheit und in einem unterentwickelten Medienpluralismus. Auch die in manchen Staaten unterentwickelte Gewaltenteilung wird im Bericht hart kritisiert. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse daraus?

Wer konkret wird kritisiert?

Es sind vor allem Polen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien, bei denen der Kommissionsbericht erhebliche Mängel ortet. Bei Polen scheint der Kommission etwa die Doppelfunktion des Justizministers, der gleichzeitig Generalstaatsanwalt ist, besonders bedenklich: die Anfälligkeit für eine politische Einflussnahme hinsichtlich der Organisation der Staatsanwaltschaft und der Untersuchung von Fällen nehme dadurch zu, meint die Kommission. Auch Generalanwalt Bobek hat sich jüngst dieser Auffassung angeschlossen.[1] Auch die Herabsetzung des Ruhestandsalters für amtierende Richterinnen und Richter hat nach Meinung des Europäischen Gerichtshofes die Unabsetzbarkeit beeinträchtigt. In Ungarn gibt die Medienvielfalt Anlass zur Kritik: regierungskritische Medien werden systematisch ausgehungert und/oder durch systemfeundliche Medien „übernommen“. Bei Bulgarien und Rumänien wird der immer noch mangelnde Standard der Korruptionsbekämpfung beanstandet, in Kroatien mangelnde Verwaltungskapazitäten im Justizapparat und auch die Slowakei steht, was die Integrität der Justiz anbelangt, unter verschärfter Beobachtung. In einigen Staaten, wie etwa Malta und Griechenland, sind dagegen bereits die Früchte ernsthafter Bemühungen und Reformen sichtbar. Wermutstropfen in Malta ist aber immer noch der 

Weniger Rechtsstaatlichkeit – weniger Geld

Die Inanspruchnahme von EU-Mitteln wird künftig an die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards geknüpft sein – das ist der Eckpunkt eines vorläufigen Kompromisses, welchen EU-Parlament und Rat am 5. November 2020 erzielt haben. Durch die Einigung soll der EU-Haushalt im Fall von Verstößen gegen rechtsstaatliche Grundsätze geschützt, die Rechtssicherheit erhöht und die Einhaltung von Grundwerten der Europäischen Union gestärkt werden. 

Ob es bei den systematischen Rechtsstaatsverstößen in Ungarn und Polen dann aber auch wirklich zu einer Mittelkürzung kommen wird, steht auf einem anderen Blatt. Die Hürden sind extrem hoch: In jedem einzelnen Fall muss die EU-Kommission beweisen, dass ein spezifischer Verstoß auch die rechtmäßige Verwendung von EU-Geldern verhindert. Viele Rechtsstaatsverstöße werden damit von vornherein nicht erfasst. Aber mehr war politisch nicht drin. Dabei wird EU-Recht immer häufiger gebrochen, neuerdings auch in Slowenien.


[1] Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in den verbundenen Rechtssachen C-748/19 bis C-754/19.

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